Früheste Nachrichten von einer Cämmerswalder Schmiede
  (NeuhausenerAmtsblatt 5/1995; Verf. Gert Weidhas)  

 Als nach dem Tode Herzog Georgs (+ 17.4.1539) die Reformation auch im albertinischen  Sachsen zum Zuge kam, der bisherige Bischof von Meißen aber seine Handlungsmöglichkeiten einbüßte, war es Herzog Heinrich, der eine Kommission einberief, um von ihr anstelle  des Bischofs eine Visitation der Kirchgemeinden durchführen zu lassen.

Auch seine  Nachfolger ließen von Zeit zu Zeit die Kirchgemeinden in Sachsen visitieren. Anlässlich  der Visitation des Jahres 1608 hatte am 16. September der Pfarrer Andreas Walter von  Neuhausen vor den Visitatoren 'zu erscheinen. Zu dessen Amtsbereich gehörte damals  auch die Kirchgemeinde Cämmerswalde.

 

Im Blick auf sie halte er eine Beschwerde  vorzubringen, die die Visitatoren mit folgenden Worten zu Protokoll brachten: 

Die Cämmerswalder Gemeinmänner ihrerseits  erklärten dazu, dass wohl der Schmied seinen Zins von einem Taler an sie abführe, sie  aber dafür die Schmiede baulich instandhalten müssten, wofür sie mehr als einen Taler  jährlich aufzuwenden hätten. Deshalb hielten sie es für recht und billig, wenn der vom  Schmied zu zahlende Zins der Gemeindekasse zufließe. Doch sollten die Visitatoren  darüber urteilen. Diese entschieden: "Der Thaler soll zwischen dem Pfarrer undt der  gemeinde gleich getheilet werden." 
Dieser Abschnitt des Visitationsprotokolls gibt Anlass, über einige Fragen der Ortsgeschichte  nachzudenken.  Als vor nahezu 800 Jahren Siedler sich aufmachten, um dem hier sich dehnenden Wald  Boden für eine neue Existenz abzuringen, mussten sie vielfältig Aufgaben bewältigen.  Der Wald war zu roden und das Land urbar zu machen. Zugleich mussten jedoch .Höfe  als Unterkunft für Menschen, Vieh und sonstige Habe gebaut werden. Bei alledem waren  sie völlig auf sich gestellt, auf ihr Erfahrungswissen und die Entfaltung ihres Könnens.  Etliches Werkzeug zur Bearbeitung von Boden und Holz halten sie gewiss mitgebracht.  Doch wie nun, wenn eiserne Teile des Werkzeuges neu vorzurichten, wenn die Hufe von  Pferden oder Ochsen neu zu beschlagen waren, wenn andere eiserne Gerätschaften  gefertigt werden mussten, haben sie auch dann sich selbst geholfen?  Wir haben darüber keine Nachrichten. Doch führen unsere Überlegungen eher zu dem  Schluss, dass die Vorfahren hierbei auf einen Schmied angewiesen waren. Bei allem  Geschick und Erfahrungswissen, über das sie verfügten, gehörten zur Bearbeitung von Eisen allerlei Vorrichtungen, die in einem Bauerngehöft nicht ohne weiteres zu installieren waren. Wo aber konnten sie zu der Zeit einen Schmied finden? Hotten die Gründer und  Herren der Burg Purschenstein einen Schmied angeworben? Hatte in der Siedlung Sayda,  die sich bald zu einer Stadt entwickelte, sich ein Schmied niedergelassen? Hatten die  Bergbau treibenden Dörfer einen Schmied herbeigerufen? Wir wissen es nicht. 

Unsere frühesten Nachrichten führen uns nur wenig mehr als 400 Jahre zurück. Das  Clausnitzer Kirchenbuch nennt am 1.12.1563 als Patin die Ehefrau des Bergschmiedes  Jacob Köhler und meldet am 18.9.1564 den Tod eines Töchterleins des Schmiedes Hans  Herklotz. Der Saydaer Kantor Rennau berichtete vor dem 2. Weltkrieg in Beilagen des  Erzgebirgischen General-Anzeigers über Angaben, die das inzwischen leider verschollene  Purschensteiner Erbregister von 1576 über die Dörfer Neuhausen und Cämmerswalde  macht. Während nach Rennaus Bericht in diesem Register für Neuhausen unter 5.  aufgeführt war "Georg Frank" mit dem Zusatz "Ist die Schmiede", tritt im Register für  Cämmerswalde kein Schmied zutage.  Gerade deshalb verdienen die Nachrichten des Visitationsprotokolls von 1608 unser  Interesse. Deutlich reden sie vom Bau einer Schmiede in Cämmerswalde, den die Gemeinde  veranlasst hat und für deren bauliche Instandhaltung sie auch weiterhin sorgt, während  der Schmied nur pachtweise dort wohnt.
Das verstärkt den Eindruck, dass es zuvor, und  das heißt wohl mindestens während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, keine  Schmiede in Cämmerswalde gegeben hat. Ja, möglicherweise reicht die schmiedelose Zeit  noch viel weiter, vielleicht gar bis in die Gründungszeit des Ortes zurück, doch gebietet  uns der Mangel an Nachrichten, nicht zuviel zu behaupten.  Wie es scheint, empfand die Gemeinde Cämmerswalde das Fehlen eines Schmiedes in  Cämmerswalde als so bedrückend, dass sie bereit war, ein Schmiedehaus zu bauen, in  der Hoffnung, auf diese Weise leichter einen Schmied in den Ort ziehen zu können.  Andererseits war sie offenbar bestrebt, die Kosten möglichst niedrig zu holten. Deshalb  wandte sie sich an den Herrn, gemeint ist der Grundherr auf Purschenstein, der zugleich  auch Patronatsherr der Kirchgemeinde war, und bat ihn, die Badstube (ein kulturgeschichtlich interessantes Phänomen!) auf dem Pfarrgrundstück abreißen und deren Holz  zum Bau der Schmiede verwenden zu dürfen.
Der Purschensteiner Herr, der ein gewisses  Verfügungsrecht über ungenutzte Bauten der Kirche besaß, erlaubte es ihnen. Nun  aber macht der Neuhausener Pfarrer geltend, dass ihm als Verwalter der Kirchgemeinde Cämmerswalde die Nutzung des Cämmerswalder Pfarrgutes zusteht.  Da das Holz der Badstube jedoch aus dem Pfarrwald stammte, meint er Anspruch auf  den Pachtzins des Schmiedes zu hohen, was ihm jedoch die Gemeinde Cämmerswalde  streitig mochte. Die mit Vollmachten des Kurfürsten ausgestalteten Visitatoren treffen  daraufhin die salomonische Entscheidung: vom Pachtzins des Schmiedes sollen der Pfarrer  und die Gemeinde je die Hälfte erhalten.  
Aus dem Visitationsprotokoll vom September 1608 gewinnt man den Eindruck, dass die  Erbauung der Cämmerswalder Schmiede noch nicht allzu lange zurückliegt. Dieser  Eindruck wird verstärkt durch Nachrichten aus Kirchenbüchern. Mitte Oktober 1606 hielt  der Schulmeister Michael Siegfried seinen Einzug in Cämmerswalde. Ihm wurde  aufgetragen, die Cämmerswalder Kirchenbücher zu führen, ja, überhaupt erst zu eröffnen,   da es bis dahin noch keine gab. Bereits um 3. November aber wurde als Pate in ihnen  eingetragen: "Christoff Wagner der Schmidt". Am 16. Februar 1607 erscheint hier in  gleicher Funktion: "Anno Christoff Wagners des Schmids Ehegemahl", und am 22.  September 1607 wurde getauft: "Michael. Ein Sohn Christoff Wagners. Dieser scheint  überhaupt Christoph Wagners erstes Kind gewesen zu sein, und die Trauung des Schmiedes  ist wahrscheinlich nicht allzu lange vor Mitte Oktober 1606 erfolgt. 
 Ziehen wir dazu die Zethauer Kirchenbücher heran, die fast drei Jahrzehnte früher als  die Cämmerswalder eröffnet wurden, so finden wir dort unter dem 8. Februar 1605 als  Paten eingetragen Christoph Wagner, Abraham Wagners Sohn, ein Schmied. Wenn  dieser Schmied Christoph Wagner als Abraham Wagners Sohn bezeichnet wird, so bedeutet  das in der Regel, dass er noch keinen eigenen Hausstand gegründet hatte und also noch  unverheiratet war. Noch dem 8. Februar 1605 aber tritt dieser Christoph Wagner in den  Zethauer Kirchenbüchern nicht mehr auf. Deshalb legt sich die Frage nahe, ob er mit  dem Cämmerswalder Schmied Christoph Wagner identisch ist und also zwischen dem 8.  Februar 1605 und dem 3. November 1606 nach Cämmerswalde übergewechselt ist und  dort mit Christina.... ... getraut wurde. Die Identität lässt sich nicht im strengen Sinne  beweisen, darf ober mit einiger Wahrscheinlichkeit vermutet werden.
Dann ist es aber  auch wahrscheinlich, dass die Erbauung der Cämmerswalder Schmiede zwischen den zuletzt  genannten Eckdaten, also etwa 1605/06 erfolgt ist. War sie die älteste Cämmerswalder  Schmiede und Christoph Wagner der erste Cämmerswalder Schmied?  
Sehr lange freilich konnte sich die Cämmerswalder Gemeinde dieses neuen Schmiedes nicht  erfreuen. Als Schmied wird Christoph Wagner in den Cämmerswalder Kirchenbüchern zuletzt  am 23. Oktober 1610 genannt, während dort am 23. Juli 1611 ein Michael Haynel als Schmied  in Erscheinung tritt. Von diesem wiederum hören wir zum letzten Mal am 3. Dezember 1614,  als seine Tochter Anna getauft wurde. Danach taucht am 18. Januar 1619 ein Schmied namens  Christoph Schmieder auf, von dem das Kirchenbuch zuletzt die Taufe eines gleichnamigen  Sohnes Christoph am 27. Juni 1622 vermeldet. Am 10. April 1626 begegnet der Gemeinschmied  Johannes Fischer, der am 3. Oktober 1632 ein Opfer der Pest wurde. Seine Witwe schloss am  7. Januar 1634 eine zweite Ehe mit dem Schulmeister Michael Siegfried, dessen Frau und  Kinder die Pest gleichfalls dahingerafft hatte.  
Mindestens vier Schmiede sah also dos neuerbaute Cämmerswalder Schmiedehaus im  ersten Vierteljahrhundert seines Bestehens. Christoph Wagner, der erste in dieser Reihe,  war indes Besitzer des Cämmerswalder Gutes Hauptstraße 129 (heute Voigt) geworden,  wie das Landsteuerregister von 1612 bezeugt (war Benedikt Drechsler, der Vorbesitzer  des Gutes/sein Schwiegervater?). Seit Ende der zwanziger Jahre versah er auch das Amt  eines Gemeinmannes in Cämmerswalde und hatte als solcher die Angelegenheiten der  Gemeinde wahrzunehmen und zu verwalten. Mit zahlreichen anderen Gebäuden jedoch  wurde sein Gut im September 1632 von kaiserlichen Söldnern, die in Sachsen  eingefallen waren, niedergebrannt. Trotz dieser Erschütterung seiner Existenz wurde  Christoph Wagner, nachdem der Lehnrichter Christoph Kaltofen am 27. Juli 1633 an der  Pest gestorben war, der Gemeinde zum Richter verordnet (war er dazu gewählt worden?).  Dieses Amt hat er mindestens zwei, vielleicht ober drei oder vier Jahre innegehabt. Auch  später gehörte er als Schöffe weiterhin zu den Gerichtspersonen.
Doch was tat er in dieser  Zeit hauptberuflich und wo hatte er nach dem Verlust seines Gutes ein neues Unterkommen gefunden? Das tritt endlich am 3. März 1641 zutage, als  Christoph Wagners des Schmidts Sohn Jacob ein Patenamt zu  versehen hatte. War Christoph Wagner vielleicht schon bald noch  Johannes Fischers Tod im Oktober 1632 in die Schmiede  zurückgekehrt? Jedenfalls konnte er so nach der Katastrophe  vom September 1632 seine Existenz aufs neue gründen.
Er  starb in Cämmerswalde am 2. Februar 1665. Sein Alter wurde  mit 92 Jahren beziffert. Demnach müsste er etwa im Jahre 1573  geboren sein. Das wirft noch einmal die Frage nach der Identität  mit dem Zethauer Schmied Christoph Wagner, Abraham Wagners Sohn, auf; denn dieser wurde erst im November 1581 getauft, was mit der Altersangabe des Cämmerswalder Schmiedes Christoph Wagner nicht in Einklang zu bringen ist. Doch scheint eben diese Altersangabe nicht über alle Zweifel erhaben zu sein. Weit besser fügte es sich in den üblichen Lebensrhythmus ein, wenn man annehmen dürfte, dass der Cämmerswalder Schmied Christoph Wagner tatsächlich erst 1581 geboren, mit etwa 24 Jahren getraut, mit knapp 26 Jahren zum ersten und  mit 45 Jahren zum letzten Mal Vater geworden wäre (sein letzter Sohn Johannes wurde am 10. November 1626 getauft). 
Der eben erwähnte Sohn Johannes wurde Christoph Wagners Nachfolger in der Cämmerswalder Schmiede. Wann genau er die Schmiede übernommen hat, lässt sich nicht nachweisen. Es  scheint erst nach 1654 der Fall gewesen zu sein; denn im Erbhuldigungsprotokoll vom 5. Juni 1654 rangiert Johannes Wagner noch unter den Hausgenossen, während sein Vater Christoph Wagner zu den Hausbesitzern gezählt wird.  Dieser Sachverhalt bringt gleichzeitig zutage, dass Christoph Wagners Status sich verändert hat. Zwar ist er nun wieder Schmied, aber nicht mehr Schmiedepächter sondern die Gemeinde hat das Schmiedehaus offenbar an ihn verkauft.  Demgemäß verkauft die Witwe Maria das ihr von ihrem Ehemann Johannes Wagner vor  dessen Tod am 11. März 1688 testamentarisch vermachte Schmiedehaus am 4. Mai 1689  an ihren Sohn Gottfried Wagner, der gleichfalls Schmied war. Als solcher ist er auch noch  im Purschensteiner Erbregister von 1700 verzeichnet. Am 24. September 1702 und forthin  galt er jedoch nur noch als Häusler und Butterhändler. Warum er das Schmiedehandwerk  aufgab, wissen wir nicht. Vielleicht fühlte er sich der inzwischen aufgekommenen  Konkurrenz nicht mehr gewachsen. Oder hatte ein gesundheitlicher Einbruch ihn zur  Aufgabe gezwungen? Am 2. Oktober 1740 verkaufte er sein Haus an Johann Christoph  Berger, der zuvor Purschensteiner Schmied gewesen war. Mit diesem ging aber die  Geschichte der ältesten uns bekannten Cämmerswalder Schmiede zu Ende; denn Johann  Friedrich Matthes, dem er das Haus am 27. Juni 1749 verkaufte, war kein Schmied.   Die weiterhin noch folgenden Besitzer des Hauses waren: 
                 10.04.1776 Adam Friedrich Hegewald 
                 03.10.1778 Johann Gotthelf Hampel 
                 10.02.1810 Christian Friedrich Hegewald 
                 07.01.1846 Christian Fürchtegott Hegewald 
                 10.01.1858 Traugott Friedrich Zemmrich 
                 22.03.1871 Gotthelf Friedrich Hänig 
                 12.04.1871 Traugott Friedrich Zemmrich 
                 17.10.1872 Carl August Friedrich Philipp 
                 02.05.1886 Carl Hermann Göhler.  
Seit 1842 hatte das Haus die Nummer des Brand-Versicherungs-Catasters 95, die zu ihm  gehörenden Flurstücke hatten die Nummern 60 - 62. Der letzte Käufer, Carl Hermann  Göhler, war Besitzer des Gasthofes Cämmerswalde (heute Jandusch). Doch wurde das  Haus etwa 1890 abgerissen und über seinen bisherigen Standort die neue Führung der  Cämmerswalder Dorfstraße (heutige Hauptstraße) verlegt. Auf einen Teil des ehemaligen  Schmiedegrundstückes steht jetzt die von Carl Hermann Göhler 1896 erbaute Scheune  des Gasthofes.  
Zuletzt bleibt noch anzumerken, dass wohl die meisten der heute lebenden Träger des  Namens Wagner in Cämmerswalde und Umgebung in dem Schmied Christoph Wagner  ihren Vorfahren erblicken dürfen.  
 

Wagners im Erzgebirge